Darauf musst Du achten, wenn Du Blumen fotografierst
Es ist so herrlich: Die Vögel zwitschern, die Temperaturen steigen und die Natur erwacht zum Leben. Der Frühling ist der ideale Zeitpunkt, um Deine Kamera (aus dem Winterschlaf) zu holen. Mir ging es vor ein paar Tagen wieder so, Winter endlich vorbei, Rucksack gepackt und auf in die Wälder. Falls Du es nicht rausgehört haben solltest: Ich mag Eis und Schnee nicht besonders. Und so sind die ersten Frühlingsblüher, welche ich fotografieren kann, für mich eine wahre Freude. Märzenbecher, um genau zu sein. Blumen gekonnt zu fotografieren, wie Märzenbecher, ist, wenn ihr ein paar Tipps beachtet, wirklich leicht.
Nur wenige Kilometer von meinem Wohnort breitet sich ein wahres Blütenmeer an Märzenbechern an einem Waldhang aus, der schon seit den 1930er Jahren unter Naturschutz steht. Naturschutz ist das Stichwort, über das ich zum ersten Punkt komme, den Du beachten solltest, wenn Du Blumen in der Natur fotografierst:
PUNKT I
Benimm Dich respektvoll
Wenn Du Dich jetzt fragst, was das mit Fotografie zu tun hat, dann kann die Antwort nur lauten: sehr viel! Was für viele selbstverständlich ist, wenn sie Menschen vor ihrer Kamera haben, sollte ebenso selbstverständlich sein, wenn es sich „nur“ um Blumen vor dem Objektiv handelt. Schließlich steht in der Natur alles miteinander in Verbindung und was würdest Du sagen, wenn vor Dir andere kreuz und quer durch und über die Blumen gelaufen sind, nur um das vermeintlich beste Foto einzufangen. Kein noch so vermeintlich gutes Foto rechtfertigt die Zerstörung der Natur. Meine Güte, manchmal klinge ich echt wie ein Moralapostel. Vielleicht weil ich schon zu vielen Deppen in der Natur begegnet bin.
PUNKT II
Technisches Equipment is nice to have, aber kein Muss
Meine lieben männlichen Kollegen, seien wir doch mal ehrlich zu uns, Technik führt in der Fotografie schnell zum Schwanzvergleich. „Du fotografierst noch mit Spiegel?“, „Das Objektiv hatte ich mal, taugt doch gar nichts!“ und so weiter. Langweilt mich. Ein Foto soll Emotionen transportieren, den Betrachter berühren. Nur weil einer mit einer 2000 Euro teuren Ausrüstung durch die Gegend läuft muss er keine guten Bilder machen. Mit der weltweit teuersten Schere werde ich auch nicht über Nacht zum Starfriseur. Wenn Du „nur“ ein Smartphone besitzt, dann ist das absolut okay. Du wirst zwar irgendwann damit an gewisse Grenzen stoßen, und dennoch kannst Du damit ganz gewiss kreativ sein. Ich bin zwar in love mit meinen Canons, aber ich bin doch nicht so gaga und schleppe das Zeugs immer mit mir rum.

Märzenbecher im warmen Licht der untergehenden Sonne. Foto: Michael Kaub
PUNKT III
Beachte Standort und Tageszeit
Gerne auch noch die Jahreszeit – Märzenbecher im August wird heikel werden. In einem meiner Fotoseminare stellte ein Teilnehmer vor einigen Jahren einmal fest: „Jetzt weiß ich, warum meine Fotos nie so aussehen werden: ich schlafe zu lange.“ Ein wenig Wahrheit steckt in dieser Feststellung drin, denn die Natur präsentiert sich im Tagesverlauf sehr unterschiedlich. Das Licht, siehst Du dieses Licht, hast Du dieses Licht gesehen? Mach Dir doch mal die Mühe und fotografiere vor Deiner Haustür morgens, mittags und abends dieselbe Blume. Fällt Dir was auf? Nein? Dann geh bitte zum Augenarzt. Alle anderen werden feststellen, dass zum Beispiel die Farben völlig anders wirken. Jetzt wäre es aber fatal, nur nach der Tageszeit zu gehen und den Standort außen vor zu lassen.
Denn wie hätte mein Seminarteilnehmer wohl geguckt, wenn er einmal ausnahmsweise früh aufgestanden, übermüdet zum erwähnten Naturschutzgebiet gefahren wäre und im halbdunklen Wald gestanden hätte. Der Hang schattet die Morgensonne nämlich ab, so dass das Gebiet sich überhaupt nicht dazu eignet, Märzenbecher im Morgenlicht zu fotografieren. Hilfreich sind in solchen Fällen Apps, die für jeden beliebigen Standort auf der Welt den Stand der Sonne an Tag X zur Uhrzeit Y anzeigen. Ich nutze seit Jahren sehr gerne die App Sun Surveyor, die mich noch nie im Stich gelassen hat. Die besonderen Lichtstimmungen im Verlauf des Tages erläutere ich ausführlich in einem späteren Beitrag.
PUNKT IV
Beweg Dich, sei flexibel – und das meine ich auch so
Du wirst schon in die Knie gehen müssen oder noch weiter runter. Auge in Auge mit der Blüte ist das Motto. Ja sicher, es kann sich auch glücklich fügen, dass die Blüte an einem Hang steht, genau in Augenhöhe aus der Erde sprießt oder Du senkrecht von oben auf die Blume blickst. Das sind Ausnahmen, absolute Ausnahmen. Blumen, Pilze, Klee – alles was in der Nähe des Bodens rumkreucht sollte auch dort eingefangen werden. Es lohnt sich – vertrau mir und geh in die Knie, auf die Knie, leg Dich hin. Zieh also Klamotten an, die dreckig werden können oder nimm Dir eine leichte Unterlage mit.
Und Finger weg vom Zoom. Finger weg. Ich habe doch gesagt: Finger weg! Nur eine Ausnahme ist erlaubt, wenn Du ein Zoom nutzt. Stell es auf eine Brennweite ein, zum Beispiel 100 mm, und dann bewegst Du Dich auf Deinen Knien vor und zurück und fängst die Blume ein. Wenn Du jetzt warum fragst, dann beschäftige Dich bitte zunächst einmal ausführlich mit Deinem Zoomobjektiv bzw. der Zoomfunktion an Deinem Smartphone. Auch dazu werde ich später mal einen eigenen Artikel schreiben.
PUNKT V
Schau der Blume in die Augen
Okay, Augen haben Blumen nicht, ich meine das auch im übertragenen Sinne. Schau ihr in die Blüte oder was auch immer. Denn das ist – wenn Du einmal unten auf der Erde bist – eine entscheidende Frage: Was nehme ich mit meiner Kamera in den Focus? Denn je mehr es Dein Objektiv zulässt, mit kleinen Blendenwerten zu arbeiten, desto sorgfältiger musst Du arbeiten. Schnell liegt die Schärfe nicht mehr wie gewünscht in der Blüte, sondern auf einem Blütenblatt oder Stängel. Stichwort Makrofotografie (schon wieder etwas, das einen eigenen Artikel wert ist…).
Spätestens jetzt, wenn ihr bei diesem Niveau gelandet seid, dass Eure Technik es Euch erlaubt, so differenziert zu arbeiten, solltet Ihr über die Anschaffung eines Stativs nachdenken. Ein Stativ, das es erlaubt, die Mittelsäule umzuklappen, um die Kamera auch mal bodentief zu bekommen. Wie gesagt: Auge in Auge mit der Blume. Das Stativ ermöglicht ruhiges Arbeiten mit niedrigen ISO-Werten, kleinen Blendenwerten, langen Belichtungen und somit eine höhere Qualität Eurer Arbeit. Wo ich schon bei Eurer Arbeit bin, komme ich zu…

Im Hintergrund funkeln die übrigen Märzenbecher im Sonnenlicht. Foto: Michael Kaub
PUNKT VI
Achte auf den Vorder- und den Hintergrund
Die Bilder sind aufgenommen, Du bist glücklich, sitzt Zuhause vor Deinem Rechner, betrachtest die Bilder und plötzlich – was ist das? Das sind oftmals Dinge, die Du nicht im Blick hattest. Du warst so fasziniert von der Blume, dass Du ihren Standort kaum beachtet hast. Äste, die sich im Vorder- oder Hintergrund bemerkbar machen, die in Teilen ebenso scharf abgebildet sind wie die Blüte und somit um die Gunst des Betrachters buhlen – und vom eigentlichen Bildinhalt ablenken. Vieles was im Umfeld einer Blume oder mehrerer Blumen passiert, kann die Atmosphäre Deines Bildes stören oder komplett zerstören.
PUNKT VII
Nur perfekte Blumen sind gute Blumen?
Ich stelle diese Frage an der verflixten siebten Stelle, weil es im Internet Beiträge gibt, in denen ernsthaft der Rat erteilt wird, nur perfekte Blüten zu fotografieren. „Ich gebe Ratschläge immer weiter, es ist das Einzige, was man damit anfangen kann“, wusste schon der Schriftsteller Mark Twain zu berichten. Sicherlich gebe ich auch Tipps, berichte von meinen Erfahrungen, aber das sind keine unumstößlichen, in Stein gemeißelten Ratschläge. Ihr selbst müsst entscheiden, Ihr macht das Foto und kein selbsternannter Fotoguru. Wie arm wäre wohl die Fotografie, wenn man nicht mal aus allgemein gültigen Regeln wie dem goldenen Schnitt ausbricht. Selbstverständlich lohnt es sich auch weniger perfekte Blumen, verblühte Blumen oder Knospen zu fotografieren.
PUNKT VIII
Blaue Stunde? Mache ich später in Lightroom!
Pfffff… Es gibt so gut wie nichts, was ich mit moderner Bildbearbeitung nicht nachträglich am Bild verändern kann oder ergänzen. Versuche bitte schon beim Druck auf den Auslöser, das spätere Bild im Kasten zu haben. Natürlich kannst Du zum Beispiel in Lightroom oder Photoshop nachträglich ordentlich an den Reglern drehen, Lichtreflexe, die goldene oder blaue Stunde hinzufügen oder was sonst noch verändern, aber es wird niemals so aussehen, wie auf einem Foto, das entstand, als wirklich die Sonne hinter der Blume unterging. Natürlich ist es aufwändiger, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, aber es lohnt sich.
Ich selbst fotografiere in jpg und raw, um meine Bilder später in Lightroom selbst entwickeln zu können. Für mich ist das die logische Fortsetzung meines früheren Fotolabors im Negativfilmzeitalter. Aus meiner Sicht ist es konsequent, meine eigenen Fotos selbst zu entwickeln, weil es einen künstlerischen Prozess nach dem Drücken auf den Auslöser bedeutet. Der muss allerdings nicht folgen. Ein bekannter Fotograf erzählte mir unlängst, dass er nur jpg fotografiert und keine Lust auf Nachbearbeitung hat. Das Foto muss für ihn schon beim Auslösen stimmig sein. Eine Einstellung mit der er es zum Gewinner des Pulitzer-Preises brachte.
Acht Punkte habe ich aufgeführt, die mir beim Schreiben spontan in den Sinn gekommen sind und die ich für besonders beachtenswert halte. Beim Fotografieren von Blumen in der Natur solltest Du respektvoll unterwegs sein, Dich darauf einstellen, dass Deine Hose auch mal ordentlich schmutzig werden kann, weil Du Dich auf die Höhe der Blume begeben solltest. Ein Makroobjektiv ist eine feine Sache, aber ein smartes Phone mit passabler Kamera genügt für den Einstieg in die blühende Welt da draußen.
21. März 2021
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